Der "Schatten der Hierarchie". Ein Governance-Paradox?
Tanja A. Börzel – 2008
In den letzten Jahren hat sich die Governance-Forschung verstärkt mit einer bestimmten Form des Regierens beschäftigt, die ohne hierarchische Formen der sozialen Handlungskoordination auskommt und auf der Kooperation öffentlicher und privater Akteure in formalisierten Verhandlungssystemen oder informellen Netzwerken beruht. Bereits in den 1970er Jahren hat die deutsche Forschung zur politischen Steuerung gezeigt, dass nicht-hierarchische Formen des Regierens eine Lösung für Probleme von Staatsversagen bieten können.1 Der Vorteil der direkten Einbeziehung nicht-staatlicher Akteure in den Politikprozess wurde in problemadäquateren Politikprogrammen sowie deren effektiverer Umsetzung gesehen, weil die Zielgruppen der Regeln ihre Ressourcen und Interessen einbringen können. Diese Argumente wurden von der Governance-Forschung aufgegriffen. Was heute unter dem Begriff „neue Formen des Regierens“ („new modes of governance“) diskutiert wird, gilt zunehmend als funktionales äquivalent zur hierarchischen Steuerung, sowohl diesseits wie jenseits des Nationalstaates.