Regieren ohne den Schatten der Hierarchie. Ein modernisierungstheoretischer Fehlschluss?
Tanja A. Börzel – 2007
Der Aufsatz geht der Frage nach, wie viel an Staatlichkeit gegeben sein muss, damit Governance auch unter den Bedingungen begrenzter Staatlichkeit effektiv Regeln setzen und implementieren kann, um kollektive Güter bereitzustellen. Im ersten Teil wird unter Rückgriff auf die deutsche Governance-Forschung das Verhältnis zwischen hierarchischen und nicht-hierarchischen Governance-Formen theoretisch konzeptionalisiert. Aus den theoretischen Überlegungen werden dann Randbedingungen der Effektivität nicht-hierarchischer Governance-Formen diskutiert, bei denen der "Schatten der Hierarchie" von zentraler Bedeutung ist. Der zweite Teil nimmt den Zusammenhang zwischen Hierarchie und Staatlichkeit in den Blick. Der "Schatten von Hierarchie" verweist auf einen Kern von Staatlichkeit, wenn unter Hierarchie die Fähigkeit verstanden wird, befehlsförmig und zwangsbewehrt zu handeln. Daraus ergibt sich ein zentrales Problem für die "Reisefähigkeit" von Governance-Konzepten in Räumen begrenzter Staatlichkeit - die Begrenztheit staatlicher Steuerung soll durch nicht-hierarchische Formen der Handlungskoordination kompensiert werden, deren Effektivität und Legitimität jedoch einen Kern von unbegrenzter Staatlichkeit voraussetzt. Der letzte Teil geht der Frage nach, in wie fern es sich bei der Argumentation zum Schatten der Hierarchie nicht um einen modernisierungstheoretischen Fehlschluss handelt, der den Blick auf funktionale Äquivalente für moderne Staatlichkeit verstellt.