Das politische System Chiles
Stefan Rinke – 2008
Die Unabhängigkeitsbewegung im Generalkapitanat Chile, eines entlegenen und wegen des erfolgreichen Widerstands der Mapuche im Süden des Landes permanent umkämpften Teils des Vizekönigreichs Peru, entfaltete sich vor dem Hintergrund der allgemeinen Unruhe in den spanischen Reichen in Amerika seit Ende des 18. Jahrhunderts. Die napoleonische Besetzung Spaniens und das daraus resultierende Machtvakuum schufen die Grundlagen für eine revolutionäre Situation. Im September 1810 (18.9. Nationalfeiertag) bildeten die kreolischen Eliten in Chile eine Regierungsjunta. Die endgültige Unabhängigkeit musste nach der Rückeroberung durch die Royalisten 1814 bis 1817/18 hart erkämpft werden, wobei letztlich die militärische Unterstützung aus Buenos Aires den Ausschlag gab. Die royalistische Guerilla setzte den Kleinkrieg danach noch jahrelang fort. Erst 1826 verließen die letzten spanischen Truppen Chile. Der Konsolidierungsprozess des unabhängigen Chile verlief keineswegs so geradlinig und konfliktfrei, wie dies die ältere Geschichtsschreibung behauptet hat. Nachdem der seit 1817 regierende Oberste Direktor und Held der Unabhängigkeit Bernardo O’Higgins 1823 durch einen Putsch zur Abdankung gezwungen worden war, blieb die politische Lage aufgrund der Spaltung zwischen Liberalen und Konservativen lange instabil. Immerhin wurden in diesen Jahren mit der Einführung des Zweikammersystems und der Abschaffung der Sklaverei wichtige Grundlagen für das sich formierende Staatswesen gelegt. 1830 putschten sich die Konservativen an die Macht. In der Folgezeit schuf der umtriebige Minister Diego Portales die Grundlagen eines autoritären politischen Systems, das von späteren Generationen zum Ideal verklärt werden sollte.