Politische Systeme Amerikas. Ein Vergleich
Stefan Rinke, Klaus Stüwe – 2008
Seit dem 19. Jahrhundert haben einheimische und auswärtige Beobachter die Ursachen für die unterschiedlichen Entwicklungswege der Amerikas gesucht, die dazu führten, dass die Vereinigten Staaten in steigendem Maß als Hort der Demokratie und politischen Stabilität und dam it auch als das eigentliche „Amerika“ galten, während das „erste Amerika“ (Brading 1991) im Süden als geradezu endemischer Krisenherd und Sinnbild der Instabilität und des Autoritarismus gesehen wurde. Bereits zur Zeit eines Thomas Jefferson und Simon Bolivar fiel die problematische politische Desintegration Lateinamerikas auf, die im Gegensatz zur Einheit der Vereinigten Staaten zu stehen schien. Daraus hat sich dann in den Interpretationen der Komparatisten von Alexis de Tocqueville bis zur heutigen vergleichenden Geschichts- und Politikwissenschaft die Betonung der gegensätzlichen Entwicklungswege der Amerikas entwickelt, die im Gegensatzpaar von Erfolg und Misserfolg gipfelt, wobei der eine Zustand die Projektionsfläche des anderen war und ist. Oft war die Darstellung der lateinamerikanischen historischen Erfahrungen nichts anderes als eine Liste von Defiziten, die vom „Normalfall“ des angloamerikanischen Erfolgsmodells abwichen, was dann nicht selten zur Diagnose eines spezifischen „Morbus Latinus“ führte. Überspitzt gesagt sei Lateinamerika aufgrund seiner „schlechten Geschichte“ zur Wiederholung verdammt gewesen, während die USA aufgrund ihrer „guten Geschichte“ immer das Neue hätten suchen können (Hartz 1955).