Regieren in Räumen begrenzter Staatlichkeit. Zur 'Reisefähigkeit' des Governance-Konzepts
Thomas Risse – 2008
Ein zentrales theoretisches Problem des wissenschaftlichen Diskurses über Governance besteht darin, dass die sozialwissenschaftlichen Konzepte vor dem Hintergrund der Erfahrung des Regierens in modernen und hoch entwickelten demokratischen Nationalstaaten der OECD-Welt formuliert wurden. Hieraus ergeben sich konzeptionelle Probleme hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit auf historische und gegenwärtige Räume begrenzter Staatlichkeit. Diese Räume befinden sich vornehmlich außerhalb der OECDWelt und sind kulturell, religiös, aber auch im Hinblick auf Akteurskonstellationen und Handlungsmodi anders strukturiert als der moderne Nationalstaat westlicher Prägung. Im Rahmen einer Theorie des Regierens in Räumen begrenzter Staatlichkeit müssen deshalb die gegenwärtig diskutierten Governance-Modelle, ihre Grundannahmen und Bewertungskriterien im Hinblick auf ihre Tragfähigkeit und Anwendbarkeit auf politische Räume außerhalb der OECD-Welt geprüft werden. Im Folgenden geht es vor allem um diese „Reisefähigkeit“ des Governance-Konzeptes in andere Weltregionen und kulturellen Kontexte. Inwieweit sind die westlich geprägten Begrifflichkeiten auf diese übertragbar und welche Probleme stellen sich dabei? Was können wir umgekehrt für die sozialwissenschaftliche Governance-Diskussion lernen aus den Erfahrungen mit dem Regieren in Räumen begrenzter Staatlichkeit?