Fragile Staaten. Beobachtungen der Dynamik politischer Herrschaft in Staaten Südasiens
Boris Wilke – 2006
Während der Diskussion über den internationalen Terrorismus sind die Herrschaftsstrukturen in den Regionen der so genannten Dritten Welt wieder zu einem Thema in der internationalen politischen Öffentlichkeit geworden. Waren die politischen Verhältnisse in den südlichen Regionen der Erde in den achtziger und neunziger Jahren sowohl in der akademischen Welt als auch in der entwicklungspolitischen Praxis weitgehend dem Imperativ wirtschaftlicher oder „zivilgesellschaftlicher“ Entwicklung ungeordnet worden, so haben sich die Vorzeichen inzwischen umgekehrt. Der gegenwärtigen US-Regierung gilt die Errichtung demokratischer Herrschaftsformen sogar als Voraussetzung für ökonomischen und sozialen Fortschritt. Dies haben insbesondere die USInitiativen zur Stimulierung politischer Reformen im Nahen und Mittleren Osten deutlich gemacht. Zugleich wird die politische Stabilität der Regime in dieser Region und in der ehemals Zweiten und Dritten Welt insgesamt von den USA und anderen führenden Staaten des internationalen Systems als eine zentrale Herausforderung für die nationale und internationale Sicherheit begriffen. Dass zwischen der Forderung nach Demokratisierung und Streben nach Regimestabilität jedoch ein Zielkonflikt bestehen kann, zeigen exemplarisch nicht nur die jüngeren Entwicklungen im Irak, sondern auch in Afghanistan oder Pakistan, wo sich mit der Öffnung des politischen Prozesses die Furcht vor dem Aufstieg destabilisierender politischen Bewegungen – in diesen Fällen: islamistischer Provenienz – verbindet.