Die religiösen Kräfte in Pakistan. Dynamik von Politik und Religion in der Weltgesellschaft
Boris Wilke – 2006
Die Stabilität und innere Verfasstheit Pakistans gewinnen für deutsche und europäische Außenpolitik mehr und mehr an Gewicht. Für Irritationen sorgt unter anderem die religiöse Rechtfertigung des Einsatzes von Gewalt in der pakistanischen Öffentlichkeit. Die Studie soll den Entwicklungszusammenhang von Politik, Religion und Gewalt in Pakistan transparent machen und auf einige Fallstricke hinweisen, die sich aus der zunehmenden Verschränkung von Religion und Politik auf der einen und der Militarisierung von Religion und Gesellschaft auf der anderen Seite ergeben. Für die politische Praxis in Pakistan und den Umgang mit diesem Land stellen sich zwei Herausforderungen: die Abgrenzung von politischen und religiösen Institutionen, die Eindämmung der Gewaltanwendung in der Innen- wie Außenpolitik. Voraussetzung für eine Neuordnung des Verhältnisses von religiösen und politischen Institutionen ist die Anerkennung der Modernität, Autonomie und Eigendynamik der religiösen Institutionen. Richtschnur des Handelns sollte sein: einerseits Anerkennung der gewaltabstinenten religiösen Gruppen als legitime gesellschaftliche und politische Kräfte, andererseits Verzicht auf unmittelbare Förderung religiöser Institutionen, die über keine genuin politische Legitimation verfügen. Voraussetzung für die Verregelung gewaltgeladener Konflikte und die Eindämmung des gewalttätigen Islamismus ist die Trockenlegung der integrierten Gewaltökonomie des Afghanistankrieges und des Kaschmirkrieges. Solche Eingriffe sollten jedoch flankiert werden durch die Anerkennung der wichtigen Funktion, die der neuen Religiosität des "globalisierten Islam" in einer von politischen Desintegrationstendenzen geprägten Weltgesellschaft zukommt.