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Projektbeschreibung

C4 - Krieg und (Un-)Sicherheit in Räumen begrenzter Staatlichkeit

 

Projektbeschreibung

In Räumen begrenzter Staatlichkeit wird das Risiko des Auftretens und der Dauer bewaffneter Konflikte und Kriege durch die Fähigkeit staatlicher und nichtstaatlicher Akteure zur militärischen Gewaltkontrolle beeinflusst. Die Wahrscheinlichkeit der (dauerhaften) Gewaltanwendung ist in jenen Räumen besonders groß, in denen der Staat nicht oder nur eingeschränkt über die Fähigkeit verfügt, öffentliche Sicherheitsfunktionen (militärische und polizeiliche Sicherheit) bereitzustellen, und wo konkurrierende Gewaltgruppierungen (Rebellengruppen, Warlords, lokale Milizen und Selbstverteidigungsgruppen) bereit sind, ihre politischen und/oder ökonomischen Interessen gewaltsam durchzusetzen.

Angesichts dieser Ausgangslage macht es wenig Sinn, Gewaltdynamiken und die Reichweite von Sicherheits-Governance allein auf der staatlichen Analyseebene zu verorten. Unter Bedingungen begrenzter staatlicher Gewaltkontrolle verlaufen gewaltsame Konflikte in substaatlichen und transnationalen Räumen. Die zentrale Herausforderung ist folglich die Disaggregierung der bislang in der quantitativen Konfliktforschung üblichen Analyseeinheiten „Staat“ und „Jahr“ – und damit die Abkehr vom methodologischen Nationalismus. Doppeltes Ziel ist die präzise Erfassung von gewaltsamen Konflikthandlungen auf Ereignisbasis (event data) und lokaler, regionaler oder transnationaler Konfliktformationen (geografisches mapping) unterhalb der Analyseeinheit „Staat“. Dies ermöglicht nicht nur die genaue räumliche Bestimmung inner- und substaatlichen Gewaltformationen sowie die empirisch-systematische Analyse der Verflechtung staatlicher und nichtstaatlicher Gewaltakteure, sondern auch die Aufdeckung der damit verbundenen, zeitlichen und (sub-)regionalen Variationen in der Herstellung von (Un-)Sicherheit. Mit dieser innovativen Eigenleistung schließt das Datenprojekt nicht nur eine zentrale Lücke in der nationalen und internationalen Konflikt- und Sicherheitsforschung, sondern erfüllt zugleich eine Dienstleistungsfunktion für den gesamten Projektbereich C sowie eine Pilotfunktion für andere Projektbereiche im SFB.

Eine besondere Leistung des Projekts besteht darin, dass eine im Vergleich zu bestehenden Forschungsprogrammen vertiefte Analyse von Konflikt- und Sicherheitsdynamiken in Räumen begrenzter Staatlichkeit möglich wird. Dies zielt vor allem auf das theoretisch wie empirisch unterreflektierte Problem der Instabilität dieser Räume. Wenn zahlreiche Konfliktgebiete durch das häufige Oszillieren zwischen Gewaltausbrüchen und Waffenruhe, wechselnden Allianzen und Akteursabspaltungen sowie zwischen lokalen und transnationalen Dynamiken charakterisiert sind, dann hat dies unmittelbare Rückwirkungen für die Beurteilung der Frage, ob und inwieweit hier überhaupt Leistungen im Sinne von Sicherheits-Governance bereitgestellt werden bzw. wie stabil diese eigentlich sind. Eine Antwort darauf finden wir jedoch erst, wenn die zeitlichen und räumlichen Ausprägungen gewaltgesteuerter Konfliktsysteme präziser als bisher erfasst und analysiert werden – und nicht nur ex post aus den Formen der Gewaltanwendung und Unsicherheitsproduktion abgeleitet werden. Um einen systematischen Einblick in die Eskalations- und Deeskalationsdynamiken zu gewinnen, soll die Datenbank neben Angaben zu den militärischen und finanziellen Möglichkeiten der involvierten Akteure (Struktur- und Vektordaten) daher auch Informationen zu militärischen Handlungen (einseitige und wechselseitige Gewalt) auf Ereignisbasis aufnehmen – und diese als eine eigenständige Teilleistung des Projekts räumlich abbilden und analysieren. Hierbei werden auch die Häufigkeiten und Charakteristika externer Steuerungsversuche (militärische Intervention) berücksichtigt, die gerade in Räumen begrenzter Staatlichkeit zu diversen Formen der Sicherheitsproduktion führen: von warlordgestützten transboundary formations über mehr oder weniger stabile regionale Sicherheitsarrangements (u.a. durch die ECOMOG in Liberia in den 1990er Jahren) bis hin zur Errichtung von westlichen Protektoraten (Kosovo, Irak). Forschungstrategisch untersucht das Datenprojekt in einem ersten Schritt zunächst die Gewalt- und Sicherheitsdynamiken der nach 1990 begonnenen inner- und substaatlichen Kriege im subsaharischen Afrika.