Governance, Normativität und begrenzte Staatlichkeit
Bernd Ladwig, Tamara Jugov, Cord Schmelzle – 2007
Das vorliegende Working Paper versteht unter Governance eine Perspektive auf Regieren: Governance dient der intentionalen Handlungskoordination unter einer Mehrzahl von Akteuren durch kollektiv bindende Entscheidungen. Der Mehrwert des Governance-Begriff s liegt in der Betonung der Kontingenz der Modi des Regierens und der beteiligten Akteure. Wir argumentieren, dass der Governance-Begriff schwach normativ ist. Der „dichte Begriff “ des Regierens meint stets eine regelgeleitete Verteilung von Gütern im Unterschied zu Übeln. Jedes Regieren, das diesen Namen verdient, garantiert ein Mindestmaß an Erwartungssicherheit hinsichtlich überlebenswichtiger und Sozialität überhaupt ermöglichender Sachverhalte für eine defi nierte Gesamtheit von Regelungsadressaten. Die Übertragbarkeit dieses Governance- Begriff s auf Räume zerfallen(d)er Staatlichkeit ist aus zwei Gründen fraglich. Zum einen fehlt hier eine Instanz, die die Inklusion aller Betroff enen in die Governance-Leistungen letztverantwortlich garantieren kann, zum anderen ist in fragmentierten Gesellschaften umstritten, wer überhaupt dem Kreis der Regelungsadressaten angehört. Hieraus erwachsen normative und handlungstheoretische Probleme.
This article views “governance” as a special perspective on collective binding decision-making among a plurality of actors. The surplus value of this concept (as debated in the German scientifi c community) consists in accentuating the contingency of its modes and actors. We argue that “governance” is conceptually normative in a weak sense. Governance is a “thick term” referring to rule-guided distribution of public goods in contrast to public bads. It must guarantee security of expectations regarding basic goods for a defi ned entirety of addressees. Transferring this concept to areas of limited statehood poses two problems: Firstly, those areas lack an authority that is ultimately responsible for including all persons concerned in the benefi ts of governance. Secondly, in divided societies it is contested who is part of the community of addressees. This causes normative problems and dilemmas of collective action.