Teilprojekt B13 - Systemwechsel und Flüchtlingskrise: Die Transformation von Governance-Institutionen in China, 1945-1957
Das Projekt untersucht die Entwicklung von Institutionen und Formen legitimen Regierens im Umgang mit inländischen Flüchtlings- und Migrationsbewegungen in den beiden nordchinesischen Städten Tianjin und Qingdao unter den Bedingungen des Übergangs von der Republik China zur sozialistischen Volksrepublik in den Jahren zwischen 1945 und 1957. Nach 1949 gelang es dem neu gegründeten sozialistischen Staat relativ schnell, mithilfe neuer Methoden und Technologien wie Haushaltsregistern, politischen Kampagnen und staatlichen Hilfeleistungen die auf den Zweiten Weltkrieg zurückzuführende Flüchtlingskrise zu lösen, jedoch möglicherweise zum Preis hoher politischer Anfälligkeit und Zentralisierung.
Der grundlegende Wandel von Governance-Institutionen wird im Teilprojekt anhand spezifischer Institutionen zur Katastrophenhilfe, Versorgung und Kontrolle der Flüchtlinge verfolgt und analysiert. Die ausgewählten Städte stehen prototypisch für urbane Räume im Untersuchungszeitraum. Ihr Vergleich eröffnet aber auch die Möglichkeit einer stärkeren Binnendifferenzierung hinsichtlich sozialer, ökonomischer und administrativer Varianzen, die wir gerade in der unterschiedlichen kolonialen Vorgeschichte der beiden Städte verorten.
Ziel des Projekts ist es somit erstens, die unterschiedlichen Ausgangslagen und ihre Wirkung auf die sich entwickelnden Governance-Institutionen und Modi, die sie charakterisierenden Herrschaftsmechanismen sowie die zum Einsatz kommenden Steuerungsinstrumente zu analysieren. Zweitens fragen wir danach, welchen Einfluss die Effektivität der zur Behebung der Flüchtlingskrisen erbrachten Leistungen auf die Legitimität verschiedener Akteure und auf die Konsolidierung von Staatlichkeit, insbesondere nach 1949, hatte. Drittens verfolgt das Projekt das Ziel, Aneignungs- und Abwehrprozesse in Übergangsgesellschaften mit transitorischen Governance-Konstellationen zu erforschen.
Die Fallstudien erlauben die Unterscheidung von mindestens drei Transfers von Governance-Formen. Erstens: Der Transfer von Traditionen lokaler Herrschaft, wie sie die späte Kaiserzeit (bis 1911) geprägt und in der Republikzeit (1912-1949) fortgewirkt hatten; wesentlich waren hier staatliche Appelle an lokale und nationale Akteure bei minimalem direktem staatlichen Engagement und einer zunehmenden Selbstorganisation sektorial und geographisch definierter Gruppen. Zweitens: Der Transfer kolonialstaatlicher, insbesondere deutscher und japanischer Governance-Strukturen, die eine starke interventionistische Komponente mit sich brachten. Drittens: Der Transfer sozialistischer, am Modell der Sowjetunion ausgerichteter bürokratischer und zentralisierter Institutionen, der landesweit spätestens 1949 in Angriff genommen wurde und der Volksrepublik zu einer bis dahin kaum gekannten gesellschaftlichen Homogenität verhalf.
!! Diese Inhalte beziehen sich auf das Teilprojekt in der zweiten Förderperiode (2010-2013) !!