Projekt
Projektbeschreibung
Das Teilprojekt möchte untersuchen, ob und in welcher Form sich Unternehmen an Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit beteiligen. Ausgehend von der Forschung zur Transformation des Regierens in westlichen Staaten, die sich mit der wachsenden Rolle privater Akteure im Regieren beschäftigt, fragen wir, inwiefern die unternehmerische Beteiligung vom Grad der Begrenztheit und der Gebundenheit von Staatlichkeit abhängt. Um Aussagen über die Rolle privater Akteure beim Regieren in Räumen begrenzter Staatlichkeit zu treffen und zu einer Differenzierung von Formen des Regierens beizutragen, interessieren wir uns insbesondere für funktionale Äquivalente zum Idealtyp moderner Staatlichkeit, also zum staatlich generierten Schatten der Hierarchie einerseits sowie einer durch demokratisch und rechtsstaatlich verfasste staatliche Institutionen gewährleisteten politischen Autonomie gesellschaftlicher Akteure andererseits. Inwiefern kann der Schatten der Hierarchie auch von außen erzeugt werden bzw. stellen Wettbewerb (Schatten des Marktes), Sozialkapital (Schatten der Gemeinschaft) oder die vollständige Abwesenheit von Staatlichkeit (Schatten der Anarchie) vergleichbare Anreize für Unternehmen bereit, sich an der Bereitstellung von Governance-Leistungen zu beteiligen?
Wir wollen die Governance-Forschung mit der Literatur zu hybrider Staatlichkeit zusammenbringen, um ihren Blick für die in Räumen begrenzter und unterschiedlich gebundener Staatlichkeit entstandenen „neuen“ Formen des Regierens zu erweitern. Dies soll nicht nur im Hinblick auf die beteiligten Akteure, deren Machtressourcen und die angewandten Governance-Modi geschehen. Ein Schwerpunkt der zweiten Phase wird auf der Differenzierung nach der Inklusivität von Governance liegen. Entsprechend unterscheiden wir, inwiefern Unternehmen Governance-Leistungen als Privatgut, Klubgut, oder Kollektivgut erbringen und fragen nach den jeweiligen (nicht-intendierten) Konsequenzen privaten Regierens für lokale Governance.
Empirisch untersucht das Projekt vier Räume in Afrika südlich der Sahara, die hinsichtlich der Begrenzung und Gebundenheit von Staatlichkeit systematisch variieren. Am Beispiel extraktiver Industrien werden wir den unternehmerischen Beitrag zu und seine Effekte auf lokale Governance analysieren. Der Vergleich des Umwelt- und des Sicherheitsbereichs ermöglicht es uns, den Schatten der Hierarchie nicht nur territorial, sondern auch funktional zu variieren und den unterschiedlichen Motivationen von Unternehmen sowie der divergierenden Inklusivität und Reichweite ihrer Governance-Leistungen Rechnung zu tragen.
Das Teilprojekt befasst sich neben der Rolle von Staatlichkeit für die Entstehung und Effektivität neuer Formen des Regierens mit weiteren zentralen Fragestellungen der zweiten Phase des SFB 700. So untersucht es, inwiefern staatliche und nicht-staatliche Akteure auf hierarchische und nicht-hierarchische Modi des Regierens zurückgreifen. In der Aushandlung von Governance-Beiträgen von Unternehmen durch „weiche“ Steuerungsmodi ist zudem die Frage nach der Rolle von Machtasymmetrien und unterschiedlicher Ressourcenausstattung von Unternehmen, zivilgesellschaftlichen Akteuren, traditionellen Autoritäten und des Staates zentral. Dabei beobachten wir Aneignungs- und Abwehrprozesse externer Governance-Diskurse auf der lokalen Ebene, die die Effektivität und Inklusivität der von Unternehmen (mit-)erbrachten Governance-Leistungen mitbestimmen: Wir untersuchen, wie unterschiedliche Akteure um die territoriale Reichweite bzw. um die relevante Gruppe von Adressaten und Empfängern von Governance sowie um legitime Formen ihrer Repräsentation ringen, und wie sich staatliche und traditionelle Eliten - aber auch NGOs - externe Ressourcen aneignen, um ihre jeweilige Position zu stärken. Schließlich tragen wir zur Beantwortung der Frage nach Prozessen einer Ausweitung bzw. Verringerung von Reichweite und Qualität von Governance-Leistungen bei: Das Projekt unterscheidet hinsichtlich der Outcome-Dimension zwischen der Inklusivität und Qualität von Umwelt- und Sicherheits-Governance durch Unternehmen, und fragt danach, wie sich diese über die Zeit verändern.
Im Sinne des Projektbereichs D untersuchen wir diese Fragen in Bezug auf die Bereitstellung von Governance-Leistungen im Bereich Umwelt. Gleichzeitig erfüllt das Teilprojekt eine wichtige Brückenfunktion zum Projektbereich C, indem es zur Umwelt vergleichend Sicherheits-Governance untersucht und die divergierenden (Forschungs-)Dynamiken analysiert, die sich aus den Unterschieden dieser Governance-Leistungen ergeben.
Im Hinblick auf die dritte Förderphase adressiert das Teilprojekt perspektivisch die Frage, wie sich die Bereitstellung von Governance-Leistungen durch Unternehmen auf Staatlichkeit auswirkt. Es gilt dann zu untersuchen, ob Unternehmen als Governance-Akteure zu einem Aufbau staatlicher Governance-Kapazitäten oder eher zu einer dauerhaften Entstaatlichung der Bereitstellung von Governance-Leistungen führen und ob der unternehmerische Governance-Beitrag eine größere Gebundenheit von Staatlichkeit durch mehr Partizipation oder eher (neue) Formen des „state captures“ bewirkt.
Projektpartner